Lenkschloss / Zündschloss ausbauen / tauschen

Kürzlich habe ich ein recht interessantes Coupe angeguckt. Leider hat da genau das zugeschlagen, was der ein oder andere schon kennen gelernt hat. Der Verkäufer sagte noch:" Ach ja, das Zündschloss klemmt ab und zu, muss du einfach ein bißchen wackel, dann gäht schon an." Als eifriger Leser der einschlägigen Foren wusste ich schon was das heißt. Über kurz oder lang blockiert das Zündschloß schlagartig und dann geht gar nix mehr. Dass aber genau das dann auf meiner Probefahrt passieren muss war eigentlich schon fast wieder klar. So stand ich dann mitten in der Pampa und kriegte die Karre nicht mehr an. Nach einer Weile kam dann auch der Verkäufer mit seinem Mechaniker und nackelte auch daran rum. Trotz meiner Warnhinweise haben die dann erst mal kräftig Öl da reingemacht und dann kam der größte Fehler des Mechanikers (scheinbar kein ausgebildeter Benzler ;-): Er versuchte es mit Gewalt und Kraaack - nein nicht die Scheibe riss, sondern der Schlüssel brach ab. Auto musste abgeschleppt werden. Ich habe das Auto dann doch nicht gekauft ;-)

Deswegen wichtigster Tip für alle Benz-Besitzer in Bezug auf das Zündschloß:

Sobald es deutlich zu hakeln anfängt - SOFORT tauschen, Ersatz mit neuem Schlüssel kostet bei der Niederlassung nicht die Welt (ich meine unter 100 Euro), hält dann aber wieder 20 Jahre!

Der Fall an sich hat dann doch meine Neugier geweckt. Mangels eines Probeexemplars musste dann die Sänfte herhalten. Der bekam erstmal das Lenkschloss ausgebaut. Eine hilfreiche Anleitung ist folgendes PDF (bei möglichen Copyright-Verletzungen bitte erst mit mir Kontakt aufnehmen!!!):
Schliesszylinder.pdf
Zum Schluss des Artikels erfolgen Überlegungen, wie man den oben beschriebenen Worst-Case VIELLEICHT lösen kann.

Zunächst muss man sich das nötige Werkzeug gemäß WIS herstellen, sieht dann so aus. Ich hab den guten, grün ummantelten Gartendraht für Moschendröhtzäune genommen, ein 32 cm langes Stück abgeknipst, Ummantelung weg und wie folgt gebogen (nach 15 cm erster Knick, nach 17 cm zweiter Knick):

draht-u

Dann mit der Eisenfeile die Spitzen nach Anleitung bearbeiten (45° Winkel nach innen):

spitze

Dann ab zum Auto, Abdeckung über Schloss entfernen, dabei von links mit dem Draht rein und rausklipsen:

abdeckung

Zünschlüssel rein, auf Stellung 1 drehen (eine Raste weiter halt), dann den Draht in die beiden Löcher am Rand der silbernen Scheibe einführen. Jetzt mit dem Schlüssel ein bißchen hin und herwackeln, bis sich der Draht ganz leicht ein gutes Stück reinschieben lässt. Dann kommt ein erster kleiner Widerstand, diesen überwinden und weiterschieben, dann kommt ein zweiter, schwerer Widerstand, den auch überwinden und schon kommt das Schloß von alleine raus:

draht-rein

Und abziehen:

raus-damit

Mal von hinten ins Schloss fotografiert:

von-innen

Mehrere Sachen kann man hier schön sehen: die Führungsrillen für den Draht, das eigentliche Schloss und vor allem die schwarze Glocke, die das Schloss umgibt. Wenn ich die Hinweise in den Foren richtig verstanden habe, dann ist diese Glocke und die silberne Platte mit dem Schlüsselloch aus Spezialstahl, was das Knacken oder Aufbohren extrem aufwendig und teuer macht. Und hier ein Blick in das Gegenstück:

gegenstueck

Bei (1) greifen die Nasen am Schließ-Zylinder des Schlosses ein, um das Auto zu starten, die Vertiefung  in der Mitte hat zunächst erst mal keine Bedeutung für die Funktionsweise. Ich habe mich allerdings auch nicht getraut, da nen Schraubendreher reinzustecken und zu versuchen, damit das Auto zu starten, aber wahrscheinlich würde es gehen, da die Lenkradsperre ja schon durch die Schlüssel-Stellung 1 deaktiviert wurde (wer das mal probiert hat, kann mir ja mal mailen). Bei (2) drückt der Draht ein und löst die Sperre für die schwarze Glocke, die das Schloss umschliesst. Das weiß ich deswegen so genau, weil ich die Glocke probehalber ohne Schloß aufgesteckt hatte und dann machte es Klick und das Ding war fest. Riesenschreck und Schweißausbruch, aber mit ein bißchen Nachdenken auf die Lösung gekommen. Einfach wieder den Draht nehmen, in die Löcher bei (2) reinstochern und Klick, Glocke wieder ab. Puls wieder runterfahren und ab auf den heimischen Wohnzimmertisch, um das Schloss weiter zu analysieren.

lenkschloss

(1) hier geht der Draht entlang der gestrichelten Linie durch und drückt (2) die Feder nach unten, die das Zündschloss in Position hält. (3) ist eine Platte, die ein Ziehen des Zylinders verhindert. (4) ist besagte silberne Platte aus Spezialstahl. Der Zylinder innen drinnen ist genauso aufgebaut wie das Türschloss, mit den verschiebbaren Plättchen, kann man sehen, wenn man entgegen der Einsteckrichtung des Schlüssels von hinten ins Schloss guckt und den Schlüssel raus und rein macht, dann sieht man in einem Schlitz oben und unten die Plättchen wandern. Blockade des Schlosses wird wahrscheinlich auch auf die gleiche Weise wie beim Türschloss ausgelöst: Die Plättchen und der Schlüssel nutzen sich ab und irgendwann geben sie den Zylinder dann nicht mehr frei. Oder zweite Möglichkeit aus einem Forum: Die Rückstellfederchen der Plättchen brechen und blockieren anschließend das Schloß. Mehr Fehlerquellen scheint es nicht zu geben, die reichen aber schon für großen Ärger ;-) Ziehsicherung (Nummer 3) kann man wie folgt ausbauen:

stift

Schlüssel weiterdrehen, bis es wie oben aussieht, sprich der Feder-Splint zu sehen ist. Dann Spitzzange nehmen und Splint in Pfeilrichtung rausdrücken:

splint-raus

Jetzt blockiert der Splint die Silberscheibe, nun einen kleinen Nagel nehmen , Spitze ein wenig umbiegen und Splint weiter in Pfeilrichtung rausdrücken:

nagel

Wenn der Splint draussen ist, kann man die Ziehsicherung entnehmen, am besten wieder mit der Spitzzange:

sicherung-weg

Wer jetzt allerdings denkt, er kann nun den Zylinder rausziehen, der hat die Rechnung ohne die Ingenieure vom Daimler gemacht. Da rührt sich nix.

Also Schloss mal umdrehen:

von-unten

Hier sieht man den Weg des Drahtes entlang der gestrichelten Linie. Was man auch schön sieht ist, dass sonst nix weiter von Bedeutung auf dem Weg des Drahtes ist, es ist also eine reine Führungsrille. Doch da wo der Pfeil hinzeigt ist noch was. Ein weiterer Federsplint, hier nochmal von oben und besser zu sehen:

zweiter-splint

Und der scheint auch des Rätsels Lösung zu sein. Der hält die Silberplatte auf dem Zylinder und somit das ganze Schloss zusammen. Da ich den nicht ziehen konnte, endet hier die Zerlegung des Schlosses. Einbau wie immer in umgekehrter Reihenfolge. Schwarze Glocke drüber, Schlüssel stecken, Stellung eins eindrehen, dann einsetzen und am Schloss und an der Glocke solange vorsichtig wackeln, bis sie wieder einrasten.

Nun zu möglichen Lösungen des Worst-Case (Schloss blockiert, Zündschlüssel abgebrochen). Alles ab hier OHNE GEWÄHR UND OHNE GARANTIE aber natürlich MIT HAFTUNGSAUSSSCHLUSS:

Den abgebrochenen Schlüssel mit einer Spitzzange wieder versuchen rauszukriegen. Dann zu Mercedes gehen und einen neuen Schlüssel bestellen. Dazu braucht man Fahrzeugschein und Personalausweis, also einen eindeutigen Nachweis, dass man Besitzer / Halter des Kfz ist. Dann bestellen die einen neuen Schlüssel (dauert ca. 8 Tage und kostet ummara 30 Euro). Dieser Schlüssel hat den Vorteil, dass er eben neu ist und wieder scharfe Kanten ohne Abnutzung hat. Das könnte schon ausreichen, um die Blockade im Schloss zu lösen. Bevor man zu früh aufgibt, mit viel Gefühl ganz viel rumwackeln (am Schloss und gleichzeitig am Lenkrad) bis der Schlüssel sich drehen lässt. Jetzt Verfahren wie oben, sprich Zündschloss sofort ausbauen und tauschen, oder ein günstiges von ebay einbauen. Hat halt den Nachteil, dass man zwei Schlüssel braucht.
Wenn diese Methode nicht funktioniert, dann muss man langsam rabiater werden. Abgebrochenen Schlüssel wieder reinstecken und mit sehr stabilem Schraubendreher den Schlüsselgriff "ersetzen" und nun mit Gewalt und Wackeln am Lenkrad versuchen, das Schloss zu drehen. Bei Erfolg siehe oben. Wenn das alles nichts hilft, dann könnte folgendes VIELLEICHT funktionieren.

knacken

Die Schwachstelle des ganzen scheint zuletzt genannter Splint in der Silberscheibe zu sein. Wenn einem die Zerstörung des Schlosses egal ist (man braucht eh ein neues), dann könnte man mit einem stabilen Schraubenzieher nicht zu tief  in den Schlitz der Silberplatte gehen und versuchen mit Gewalt durch Drehung den Splint abzuscheren. Dadurch wird es dann möglich, die Löcher der Silberplatte mit der Führungsrille für den Draht in Deckung zu bringen und das Schloss auszubauen. Wenn das drehen in Stellung 1 mit dem Schlüssel nicht noch eine andere Sicherung löst, die ich hier nicht erkennen konnte, dann könnte das funktionieren, aber ...

... LEIDER, LEIDER MUSS der Schlüssel in Stellung 1 gedreht werden, wie ein Leser - Herr A.R. - meiner Homepage bestätigt. Es dreht sich nämlich der gesamte Zylinder und somit auch die Führungsrillen für den Draht. Erst wenn die mit dem Glockenlösemechanismus fluchten, kann man den Draht einsetzen, und das geht eben nur in Stellung 1. Hier ein Auszug seiner Mail mit einer guten Lösung des Problems:

Habe bei nicht drehbarem Schlüssel :(, :(, :( , die Idee der Bohrungen über den Kanälen für das Entnahme-Werkzeug (präparierter Draht) aufgegriffen, zunächst am neu erworbenen Zylinder. In der Hand (und das in der Zahnarztpraxis mit Diamantschleifern) ging das recht passabel. Im Auto schon deutlich schlechter. Erst recht, nachdem mir im problematischeren (oberen) Kanal (wegen des Verriegelungsblechhebels für den Zylinder) ein Hartmetallbohrer abbrach.
Danach mußte ich letztlich die Armaturenverkleidung vollständig abbauen) - nach Kenntnis aller Komplikationen, wäre es besser gewesen, es gleich gemacht zu haben. Dann mußte ich die Glocke aufschneiden, zwei Längsschnitte, und am Zylinder noch soviel wegfräsen, bis der gebrochene Bohrer entfernbar wurde.

Entscheidend günstig war, jeweils in Verlängerung und der Breite des Schlüsselschlitzes die Hartmetallabdeckung komplett wegzufräsen, (Flexen mit "Dremel"-Trennscheibe), dann kommt man von oben/außen an die Schieberchen des Schließzylinders und kann jene mit zwei Stiften so ausrichten, dass der Schlüssel endlich doch wieder drehbar wird. Dafür muß man allerdings die Glocke bereits opfern. (Bei freiem Arbeitsfeld - und Kenntnis der Bauteile z.B. per Foto - mit der kleinen Flex in 5 Minuten möglich).
Meine Vermutung: Im nicht verdrehten Zustand des Zylinders, zwar über die, per gebohrter Löcher zugängigen Kanäle, läßt sich die Glocke nicht abnehmen, weil die Nocken,  die mit dem Entnahme-Werkzeug nach zentral gedrückt werden müssen, um die Glocke selbst abnehmbar zu machen, ihren Bewegungsfreiraum nur haben, wenn der Zylinder bereits die Vierteldrehung gemacht hat.

Bericht Ende

Diese Meinung teile ich mittlerweile und wurde von A.R. im Selbstversuch bestätigt
Die Stellung 1 ist ABSOLUT ZWINGEND notwendig. Aber die Idee mit der Glocke wegfräsen und dann die Stifte ausrichten ist auch super und erspart den Bohrer. Und die Glocke kostet hoffentlich nicht die Welt.

ODER:

Ausbau des Kompletten Mechanismus, gefunden in einem Forum. Dazu wird ein Nippel an der Lenksäule abgeschliffen, bis man den kompletten Sperrmechanismus abziehen kann:

hier-abschleifen

draussen

Und von hinten, da sieht man, warum Stellung 1 so wichtig ist, das ist eine weitere Blockade gegen das öffnen von hinten:

von-hinten

Dazu noch ne Mail von einem Leser, der das durchgeführt hat:

In der Tat, die Glocke über dem Schließzylinder wird durch die Arretierung am Zündschloßkörper gehalten und der Schließzylinder selbst sitzt nochmals gesichert durch die kleine Blattfeder in diesem Körper. Beide Arretierungen können nur in der Schlüsselposition 1 durch den 2mm - Doppeldraht gelöst werden. Wenn das Lenkschloß eingerastet hat, ist diese Position auch gewaltsam nicht zu erreichen, da man zwar das Vorderteil des Schließzylinders mit einem kräftigen Schraubendreher abwürgen kann, das hintere Teil aber in der verriegelten Stellung verbleibt und der Draht die beiden Arretierungen der Glocke nicht trifft. Das Ausbohren des Schließzylinders, wenn möglicherweise der abgebrochene Schlüssel noch steckt, ist viel zu aufwendig und man zerstört zumeist das dahinter liegende Zündschloß. Dann geht tatsächlich nur noch die "Panzerknacker"- Methode: Wie du schon sagtest: Schelle am Lenkschloß und die beiden el. Stecker lösen, den eingerasteten Pin des Lenkschlosses abflexen und das ganze Zünd-Lenkschloß nach rechts herausziehen. In die Glocke wird dann von zwei Seiten eine Trennfuge geflext, um diese in zwei Teile zu zerlegen. Wenn der Schließzylinder sich dann immer noch nicht lösen lässt, weil die kleine Blattfeder hakt, kann man nur an dieser Stelle den Zünsschloßkörper mit der Flex quer anschneiden, mit einem spitzen Gegenstand die Feder herunterdrücken und den Schließzylinder abziehen. Neue Schließzylinder gibt es preiswert in online-Shops, zwar no-name, aber passen auch. Der Rückbau dann in umgekehrter Reihenfolge, wenn man auf eine neue Glocke Wert legt, muß man wohl das gesamte Zünd-Lenkschloß wechseln. Der große Stecker hinten am Zündschalter ist übrigens durch einen Knebel mitverriegelt, läßt sich also auch nur in Schlüsseposition 1 abziehen. Alles in Allem hatte ich Glück, dass der Wagen auf der Einfahrt stand, mit Strom und Licht, und ich hatte Zeit. Mein Respekt den Autoknackern, die ein Auto in Null Komma Nichts vom Parkplatz wegholen!

Beste Grüße vom linken Niederrhein
J.

ODER:

Zu einem Metallverarbeitenden Betrieb gehen und dort das Schloss ausbohren lassen, die haben meist bessere Bohrer als die vom Baumarkt und kostet wahrscheinlich weniger als bei Mercedes. Das sollte aber wirklich das letzte Mittel sein, da es einer Komplettzerstörung mit unbekannten Folgewirkungen gleich kommt.

Das war nun die gesammelte, mir zugängliche Weisheit des Netzes zum Thema. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen. Wer noch Ideen oder Ergänzungen hat (aus eigenen Erfahrungen bitte), der kann mir ja schreiben, das nehme ich hier dann gerne auf.

Und nun wie immer: Gute Fahrt.

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